Um es gleich vorweg zu nehmen. Aufmerksamkeit ist nicht mit Achtsamkeit gleichzusetzen. Vielmehr könnte man Aufmerksamkeit als Voraussetzung für Achtsamkeit sehen, gewissermaßen als Unterkategorie. Sie beschreibt die Fähigkeit, sich mental auf eine bestimmte Sache zu fokussieren oder zu konzentrieren, ohne dabei abzuschweifen. Die durchschnittliche Zeit, die Menschen aufmerksam sein können bezeichnet man als Aufmerksamkeitsspanne – und diese sinkt, wie Studien zeigen, ständig nach unten. Das heißt, wir können uns immer weniger lange auf eine Sache konzentrieren – selbst wenn wir wollten. Man könnte vielleicht sagen: Na und?
Die Crux dabei ist nicht nur die Tatsache, dass viele Menschen verantwortungsvolle und wichtige Tätigkeiten im Alltag verrichten und gar nicht voll bei der Sache sind.(47% der Wachzeit). Vielmehr wurde gezeigt, dass dieses Abtriften des Geistes (the wandering mind) uns auch unzufrieden und unglücklich macht. Die Psychologen der Harvard University, Matthew A. Killingsworth and Daniel T. Gilbert, haben in einer bemerkenswerten Studie nachgewiesen, dass der menschliche Geist dazu tendiert ständig abzugleiten und außerdem, dass uns diese Tatsache unglücklich macht. Je mehr unser Geist wandert umso unzufriedener und unglücklicher sind wir.
“Mind-wandering is an excellent predictor of people’s happiness,” Killingsworth says. “In fact, how often our minds leave the present and where they tend to go is a better predictor of our happiness than the activities in which we are engaged.” (The Harvard Gazette, 11.11.2010 https://news.harvard.edu/gazette/story/2010/11/wandering-mind-not-a-happy-mind/)
Andererseits wird die Aufmerksamkeit immer wichtiger – auch im wirtschaftlichen Kontext. Die Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Sache lenken und dort behalten zu können ist ein wertvolles Gut. T.Davenport bezeichnet dieses System als ‚Attention Economy‘. Die Werbung, die Medien, etc. -sie alle wollen unsere Aufmerksamkeit, um Marken wahrzunehmen, News zu positionieren, Werbebotschaften zu übermitteln usw. Wir leben in einem mentalen Kapitalismus (Georg Franck, Mental Capitalism, 2005, http://www.iemar.tuwien.ac.at/publications/Franck_2005c.pdf ) in dem um diese neue Währung wettgeeifert wird.
Bei den Menschen führt all das zu immer weniger Selbstregulation, zu immer mehr Ablenkungen und zu enormem, mentalem Energieverschleiß, weil wir ständig zwischen unzähligen Reizen an unsere Aufmerksamkeit hin und herschalten müssen. Für diesen Modus sind wir und unsere Gehirne eigentlich nicht gebaut. Das verstärkt unser mentales Belastungsschema und fördert geistige Überforderung, Ausbrennen und psychische Belastungssymptome – und es wird nicht besser!
Daher ist es unabdingbar sich alternative Strategien zu überlegen und Achtsamkeitstraining kann eine sehr geeignete Strategie darstellen. Durch Fokusübungen, gezielte Präsenzphasen, Stärkung der Aufmerksamkeit und bewusstes Beobachten und Erkennen von mentalen Mustern können wir wieder mehr Selbstkontrolle über unsere Aufmerksamkeit und unser bewusstes Gewahrsein gewinnen. Vielleicht haben Sie dazu auch eigene Erfahrungen oder Meinungen – ich freue mich über Feedback.
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